Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Einlauf bei Erwachsenen

Substanzart

Kamille

Leitgedanke zur Anwendung

Längere Bettlägerigkeit, medikamentöse Therapien (Morphin) oder tumorbedingte chronische Passagebehinderungen im Darm (z.B. Subileus / chronischer Ileus im Rahmen einer Peritonealkarzinose) können zu Obstipation führen. Der Darmeinlauf ist ein altbewährtes Mittel, den Stuhl aufzuweichen.
Wenn man Milch und Honig verwendet, wirkt es sowohl als Gleitmittel als auch die Peristaltik anregend (weiteres zum Milch-Honig-Einlauf hier).
Bei einem akuten Ileus (z.B. im Rahmen der Erstmanifestation eines lokal fortgeschrittenen gastrointestinalen Tumors) ist er nicht angezeigt.

„Besonders wichtig ist die Durchführung dieser Maßnahme bei hochfiebernden, schlecht trinkenden…“ Menschen. Oftmals kann so eine Infusionstherapie vermieden werden.
Wird der Einlauf zur Flüssigkeitssubstitution angewendet, ist sein Ziel „…eine rasche Flüssigkeitszufuhr, durch die der Kreislauf und das Trinkverhalten stabilisiert und Gefühlen von Schwäche und Übelkeit entgegengewirkt wird. Eine dadurch hervorgerufene Entleerung der unteren Dickdarmabschnitte wirkt sich für das Immunsystem entlastend aus.“ Im Dickdarm angesammelte Toxine werden ausgespült. Außerdem ist die Ausscheidegeste des Organismus nach unten eine Entlastung für den oberen Menschen.

(Quelle Zitat: Soldner, Stellmann, 2018, 5. Auflage S.265)

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Fieberzustände
  • Erbrechen und Durchfall
  • Exsikkose
  • Flüssigkeitsmangel
  • Infektionskrankheiten, viral und bakteriell
  • Obstipation
  • Obstipation, habituell
  • Obstipation, medikamentenbedingt (z.B. Morphin)
  • Obstipation, postoperativ

Durchführungsbeschreibung

Besonderheiten:
Jeder Einlauf ist eine intime pflegerische Maßnahme. Es ist ein sehr sensibler Umgang mit dieser Anwendung erforderlich. Ein Einlauf kann als unangenehm und Übergriff in den Intimbereich empfunden werden, da z.B. bei größeren Kindern und Erwachsenen das Schamgefühl angesprochen ist.

Material:

  • Handschuhe
  • Bettpfanne/ bevorzugt Toilettenstuhl, wenn Weg zur Toilette nicht möglich
  • Darmrohr
  • Irrigator mit Schlauchsystem
  • Aufhängmöglichkeit (z.B. Infusionsständer)
  • Flüssigkeit, 250-1000ml: warmes Wasser oder dünner warmer Kamillentee, frisch zubereitet
  • Der Flüssigkeit wird auf 1Liter 9g, = 2 gestrichene Teelöffel reines Kochsalz zugeführt (in etwa entsprechend einer physiologischen Kochsalzlösung)
  • Temperatur: Körpertemperatur
  • Zur Fiebersenkung 2 °C unter Körpertemperatur
  • Alternativ Einmalklistier, Fertiglösung 100 - 500ml je nach Anbieter
  • Vaseline, um das Ansatzstück gleitfähig zu machen
  • Bettschutz und Zellstoff/ oder Küchenpapier
  • Inkontinenzmaterial
  • Handtuch als Intimschutz
  • Decke um den Patienten zuzudecken


Durchführung der Anwendung:
  • Toilettenstuhl neben dem Bett bereitstellen (von den Patienten bevorzugt) und auch Bettpfanne bereitstellen (je nach Befinden des Patienten keine Mobilisation möglich)
  • Handschuhe anziehen
  • Irrigator (abgeklemmt) mit Flüssigkeit füllen, auf gewünschte Höhe am Infusionsständer aufhängen
  • Die Flüssigkeit bis zum Ansatz des Katheters laufen lassen, Schlauch abklemmen, der Schlauch ist luftleer
  • Ansatzstück/ Darmrohr einfetten
  • Bettschutz und Inkontinenzmaterial vorbereiten, der Patient liegt auf der linken Körperseite, die Beine angewinkelt
  • Der Ansatz des Darmrohrs wird sanft ohne Widerstand in den Anus eingeführt
  • Die Flüssigkeit langsam, evtl. Portionsweise in den Darm einlassen (mit der Höhe des Irrigators Menge und Geschwindigkeit regulieren)
  • Den Katheter abklemmen und Darmrohr zurückziehen, den Ansatz mit dem Papiertuch anfassen
  • ggfs. dem Patienten das Inkontinenz-Material anziehen
  • Bequem und warm zudecken
  • Bei gefühltem Stuhlgang den Patienten auf den Toilettenstuhl oder die Bettpfanne mobilisieren
  • Während des Abführens aus Sicherheitsgründen beim Patient bleiben
  • Eine Wiederholung der Anwendung ist nach 1-2 Stunden möglich

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
Situativ, muss je nach Indikation entschieden werden
Wirkungseintritt
Absehbar
Weitere Therapieempfehlungen
Bei Obstipation: Kamillendampfsitzbad
Warnhinweise
  • Achtsamkeit bei Menschen mit Hämorrhoiden oder Enddarm-Operationen/ Operationen am Rektum
  • Allergie beachten (Kamille)

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Eine 74-jährige, alleine wohnende Patientin, wurde um 23h von ihrem Hausarzt eingewiesen und im Akutspital als Notfall aufgenommen. Sie litt an Koprostase mit Anzeichen eines Ileus, und Malnutritation unter Opiattherapie bei chronischen Schmerzen.
Sie litt an starker Übelkeit und hatte kolikartige Bauchschmerzen, das Abdomen war balloniert, hart und sehr druckempfindlich. Die Patientin wurde durch eine intravenöse Infusion stabilisiert.

Nach den abdominalen Untersuchungen (Stuhlgang-Stauung im Dünndarm) wurde der Patientin im Abstand von 30 Minuten zweimal ein Suppositorium verabreicht, um den steinharten Stuhl im Enddarm aufzuweichen. Anschliessend wurde sie mit einem Darmeinlauf mit 250ml Kamillentee weiter behandelt. Eine erste grosse Menge Kot konnte unter starken Schmerzen, auf dem Toilettenstuhl sitzend, ausgeschieden werden. Ein Brechreiz quälte sie, erbrechen musste sie nicht. Der Reiz wurde noch verstärkt, nachdem sie ein oral verabreichtes Abführmittel erhielt. Nach 2 Stunden wurde ein 2. Einlauf verabreicht und die Patientin am Monitor überwacht. Die Patientin erholte sich langsam. Die schmerzhaften Stuhlentleerungen wurden weniger.
Während der folgenden 3 Tage wurde sie im Laufe des Vormittags mittels eines Einlaufs, mit  Darmrohr und Irrigator und steigender Menge Flüssigkeit bis 500ml Kamillentee, behandelt.
Die Stuhlentleerungen (Menge, Konsistenz und Farbe) und die Vitalzeichen wurden streng überwacht.
Die ausgeschiedene Kot-Menge betrug 7kg innerhalb 5 Tagen.
Die Patientin wurde mit warmer, flüssiger Kost ernährt und am 6. Tag auf leichte Kost umgestellt. Am 9.Tag wurde sie entlassen.

„Ich will nie mehr eine solche Prozedur erleben“, erwiderte die Patientin. Die Patientin erklärte, dass sie vor dem Spitaleintritt keine Lust verspürte mehr als 2 Tassen Milchkaffee pro Tag zu trinken. Zur weiteren Begleitung wurde sie für die ambulante Pflege angemeldet.
YB

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YB