Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Nierenanwendungen mit Ingwer

Substanzart

Frischer geriebener Ingwer oder Ingwer Pulver

Leitgedanke zur Anwendung

Die Äußere Anwendung des Ingwers auf die Nieren regt eine starke innere Wärmebildung im Menschen an, die sich bis in die Peripherie des Körpers ausbreiten kann. Das Seelische des Menschen wird eingeladen, sich intensiver mit dem Körper zu verbinden, was sich u.a. an einer vertieften Atmung zeigt. Der Behandelte kann innerlich zur Ruhe kommen. Seelische und körperliche Spannungen können gelöst werden.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Burnout-Syndrom (Fallbeispiel 4)
  • Dementielles Abwehrverhalten (siehe Fallbeispiel 3)
  • Depression, reaktive (siehe Fallbeispiel 2)
  • Durchschlafstörungen (siehe Fallbeispiel 1)
  • Erschöpfung
  • Fatigue Syndrom (siehe Fallbeispiel 4)
  • Hypertonie (siehe Fallbeispiel 4)
  • Menopause (siehe Fallbeispiel 1)
  • Hitzewallungen tagsüber (siehe Fallbeispiel 1)
  • Schweißausbrüche nachts (siehe Fallbeispiel 1)
  • Anregung des Wärmeorganismus (siehe Fallbeispiel 4)
  • Zur konstitutionellen Nierenbehandlung bei chronischen Nierenerkrankungen

Durchführungsbeschreibung

DIE NIERENANWENDUNG MIT INGWER KANN IN VERSCHIEDENEN FORMEN ANGEWENDET WERDEN:
1) ALS WICKEL MIT FRISCHEM INGWER
2) ALS WICKEL MIT INGWER-PULVER Für diesen Wickel gibt es auch eine Video-Anleitung
3) ALS KATAPLASMA MIT INGWER PULVER

Besonderheiten:

  • Bei Neurodermitis ist Ingwer kontraindiziert!
  • Lage der Nieren: Die Nieren befinden sich im Bereich der unteren Rippenbögen beidseits der Wirbelsäule jeweils handflächengroß. Die Lage des Nierenwickels ist nicht zu verwechseln mit einer Anwendung im Bereich der LWS (Lendenwirbelsäule)
  • Vor Beginn des Wickels müssen die Füße warm sein, sonst steigt die Wärme des Wickels in den Kopf
  • Möglichst vormittags anwenden, nicht nach 14:00Uhr. Die Anwendung am Morgen unterstützt den Inkarnationsprozess in den Tag, bzw. das Aufwachen über die Wärme. Bei späterer Anwendung besteht die Gefahr, dass eine tiefe Schläfrigkeit oder eine träumende Bewusstseins-Stimmung für einige Stunden bestehen bleibt.
  • Die gewünschte Wärmeentwicklung des Ingwers kann verzögert eintreten bzw. sich erst nach mehreren Anwendungen entfalten. Die Wärme kann der Patient als wellenartig erleben: zunächst tritt ein Wärmegefühl auf, dann kühlt es sich ab, um dann wieder anzusteigen. Dies begründet auch die Empfehlung, die Anwendung bis zu 40 Minuten zu belassen, um die maximale Wärmeentwicklung zu ermöglichen.
  • Nach mehreren Anwendungen kann die Haut trocken werden und ggf. Juckreiz auftreten. Es empfiehlt sich dann, die Haut mit leicht fettenden Salben oder Lotionen zu pflegen - dies aber zeitlich verzögert, nicht direkt nach der Anwendung.
  • Es gibt einzelne Erfahrungen mit dem Ingwer-Wickel als Anwendung vor dem Schlafengehen als Einschlafhilfe. Aus medizinischer Sicht muss die Ingwer-Anwendung jedoch ebenfalls nach 30 Minuten entfernt werden.
  • Während der Anwendung und/ oder der Nachruhe können Licht- und Geräuscheindrücke verstärkt empfunden werden. Hier bedarf es des besonderen Schutzes gegenüber Geräuschen, Licht, Geruch etc. Gegen Ende der Nachruhe kann der Impuls zu neuer Aktivität entstehen. Hier darf die Nachruhe individuell angepasst werden.


1) Durchführungsbeschreibung Nierenwickel mit FRISCHEM Ingwer
Die Anwendung mit frisch geriebenem Ingwerrhizom wird von fast allen Patienten sehr geschätzt und oftmals dem Pulver gegenüber vorgezogen. Das feuchte, frischgeriebene Rhizom wird als anregender erlebt, als das Pulver. Gleichermaßen braucht es mehr innere Beweglichkeit und Kraft, sich der milden Schärfe zu stellen.

Material
  • Außentuch, möglichst keine Wolle
  • Zwischentuch
  • Innentuch, so groß, dass es 1x zusammengefaltet ca. 20cm x 30cm ergibt
  • Schutztuch in der Größe der Auflage, ggf. Frottee
  • Wärmflasche
  • Ingwerrhizom, ungeschält, ca. 40gr., oder etwa 2 Esslöffel (vor der Anwendung nicht im Kühlschrank lagern)
  • Reibe


Durchführung
  • Das Außen- und Zwischentuch übereinander legen und von der Seite einrollen
  • In die Mitte die gefüllte Wärmflasche und darauf das (zusammengefaltete) Schutztuch legen
  • Auf eine Hälfte des Innentuchs den Ingwer reiben und es zu einem Päckchen zusammenfalten
  • Bei Bedarf (z.B. geschwächten Patienten in der Onkologie) das Päckchen ca. 5 Min. so AN-wärmen, dass die Kühle der feuchten Rhizom-Masse entweicht (nicht ER-wärmen)
  • Mit allem Material zum Patienten gehen
  • Patient im Bett aufsitzen lassen
  • Außen- und Zwischentuch in Nierenhöhe ins Bett legen
  • Die Wärmflasche entfernen
  • Die Rückenregion des Patienten frei machen
  • Substanzpäckchen und Schutztuch auf die Nierenregion anlegen und halten
  • Den Patienten sich auf die Wickeltücher zurücklegen lassen
  • Das Außen- und Zwischentuch nach vorne gut anplastizieren
  • Den Patienten bis über die Schultern zudecken

Dauer der Anwendung
  • 30 Minuten
  • Nachruhe 30 Minuten, dann alle Tücher abnehmen

Nachbereitung:
  • Das Schutz- und Innentuch auswaschen


2) Durchführungsbeschreibung Nierenwickel mit Ingwer-PULVER
Material:
  • Außentuch, möglichst keine Wolle, besser Frottee
  • Zwischentuch
  • Innentuch
  • Wasserundurchlässiger Bettschutz
  • 1 gehäufter Esslöffel Ingwerpulver
  • Schüssel
  • ca.400ml kochendes Wasser
  • Wärmflasche


Durchführung der Anwendung
  • Das Außen- und Zwischentuch übereinander legen und von den Seiten her einrollen
  • In die Mitte die gefüllte Wärmflasche legen
  • Ingwerpulver in eine Schüssel geben und mit etwas kochendem Wasser einen Brei anrühren
  • Abgedeckt stehen lassen
  • Den Patient aufsitzen lassen
  • Die angewärtmen Tücher, den Bettschutz zuunterst, auf Nierenhöhe im Bett ausrollen und den Patienten darauf zurück liegen lassen
  • Innentuch auf Größe der Nierenauflagefläche (über beide Nieren reichend) falten
  • Das restliche heiße Wasser mit dem Ingwerbrei vermischen
  • Das Innentuch darin eintauchen und gut durchtränken
  • Gut auswringen, ggf. mit Gummihandschuhen
  • Den Patienten aufsitzen lassen und den Rücken frei machen
  • Das heiße Innentuch vorsichtig an den Körper heranführen und so heiß wie möglich auf die Nierengegend auflegen
  • Das Innentuch am Rücken halten, während der Patient sich zurück legt
  • Zwischen- und Außentuch zügig und dicht anplastizieren
  • Den Patienten bis über die Schultern gut zudecken

Dauer der Anwendung:
  • Nach ca. 30Minuten Anwendungsdauer alle Tücher abnehmen
  • Nachruhe maximal 30 Min.

Nachbereitung
  • Das Innentuch auswaschen, es kann wieder verwendet werden


3) Durchführungsbeschreibung Nierenkataplasma mit Ingwer-Pulver
Material
  • Ingwerpulver
  • Feste Unterlage, um zwei Ingwerkataplasmen (-päckchen) herzustellen
  • Außentuch, möglichst keine Wolle
  • Zwischentuch
  • 2 Innentücher, je ca. 20cm x 20cm
  • Wasserundurchlässiger Bettschutz
  • Kleine Schüssel
  • Wärmflasche
  • Heißes Wasser zum Anrühren des Ingwerpulvers


Durchführung der Anwendung
Vorbereitung:
  • Das Außen- und Zwischentuch übereinanderlegen und von den Seiten einrollen
  • In die Mitte die gefüllte Wärmflasche legen
  • Innentücher auf die Unterlage legen
  • 2 Ingwerkataplasmen (-päckchen) herstellen: 2 Esslöffel Pulver in die Schüssel geben
  • Mit wenig heißem Wasser zu einem sämigen Brei rühren
  • Den Brei ca. 0,5 cm dick und, handtellergroß auf je ein Innentuch auftragen und zu 2 Päckchen falten

Durchführung am Patienten:
  • Der Patient sitzt im Bett auf
  • Bettschutz und vorgewärmtes Außen- und Zwischentuch in Nierenhöhe im Bett ausrollen
  • Wärmflasche entfernen
  • Den Rücken des Patienten frei machen
  • Die beiden Päckchen vorsichtig an den Körper heranführen und so heiß wie möglich auf die  Nierengegend legen
  • Die Päckchen halten, während der Patient sich zurück legt
  • Zwischen- und Außentuch zügig und dicht anplastizieren
  • Den Patienten bis über die Schultern gut zudecken

Dauer der Anwendung:
  • Nach ca. 30Minuten Anwendungsdauer alle Tücher abnehmen
  • Nachruhe: 30 Minuten

Nachbereitung:
  • Alles abnehmen, Kataplasmen verwerfen, Tücher trocknen

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
1 mal täglich bis 2 mal wöchentlich.
Wirkungseintritt
Nach der ersten Anwendung möglich, aber je nach Erkrankung und Indikation sehr unterschiedlich
Therapiedauer
Einige Wochen und nach Bedarf
Warnhinweise
  • Achtung bei Patienten mit Psychosen: löst die Anwendung ein zu starkes halluzinierendes Bewusstsein aus, sodass der Patient innerlich von einer Bilderwelt überflutet wird, kann die Anwendung die Psychose verstärken. Um mehr auf eine durchdringende seelische Klarheit hinzuwirken, wäre dann die Senfmehl-Anwendung zu bevorzugen.

  • Die Anwendung kann beim Patienten starke seelische Erlebnisse aus der Vergangenheit ins Bewusstsein bringen. Wenn der Patient während oder nach der Anwendung eine sehr dunkle Stimmung erlebt, sollte die Dauer der Anwendung verkürzt bzw. ein Absetzen der Auflage erwogen werden, wenn der Patient sich mit den aufkommenden Bildern überfordert fühlt.

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Fallbeispiel 1: Menopause, Durchschlafstörungen
Eine Frau in den Wechseljahren, beruflich stark engagiert, litt an Wallungen und Müdigkeits- Attacken tagsüber. In der Nacht zeigten sich Herzklopfen, Angst, Nachtschweiß, Schlaflosigkeit und das ständige Gefühl, "unter Strom zu stehen".
Die Anwendung wurde abends als Schlafhilfe angelegt, da die nächtliche Symptomatik im Vordergrund stand und sie tagsüber nicht die Zeit dazu fand. Die Verweildauer des Wickels betrug bis zu 5 Stunden. Sie entfernte den Wickel, wenn sie aufwachte.
Wöchentlich bekam sie 2-3 Wickel über ca. 8 Wochen. Schon mit der ersten Behandlung verbesserte sich die Schlafqualität: Angst und Herzklopfen wichen. Schweißausbrüche und stundenlanges Wachliegen verminderten sich und sie konnte schneller wieder einschlafen. Tagsüber reduzierten sich die Wallungen, der Wärmeorganismus wurde stabiler. Sie fühlte sich müder, aber auch ruhiger. Die einzige negative Erfahrung war, dass die Haut mit Zunahme der Anwendungen sensibel reagierte, allerdings jeweils nur für kurze Zeit.
FS


Fallbeispiel 2: Depression
Ein 43 jähriger Mann mit einer rezidivierenden depressiven Episode klagte über starke innere Anspannung und konnte seine eigenen Gefühle weder erleben noch mitteilen. Nach der ersten Ingweranwendung erlebte er eine Entspannung und Wärme im ganzen Leib. Auch das Schnarchen hörte nachts auf.
Die seelische Entspannung und die Verbesserung des Wärmehaushaltes, sowie des Schlafes zeigten sich dauerhaft.
MR

Fallbeispiel 3: Demenz
Die Situation spielt sich in einem Pflegeheim in der Schweiz ab. Ein alter, dementer Mann, der sehr aggressiv auf seine Umgebung reagierte, wohl auch weil er starke Schmerzen hatte in seinen Armen. Die Bewegungen kosteten ihn viel Kraft, er wurde aber täglich in den Rollstuhl mobilisiert. Er hatte erfolglos allopathische Mittel und Cannabis erhalten. Seine Frau erkannte er seit Monaten nicht mehr. Auf Drängen einer Schwesternschülerin erhielt er während 7 Tagen um 10 Uhr am Morgen einen Nierenwickel. Dieser wurde begonnen mit 1 Teelöffel Ingwerpulver und der Wickel lag während 20 Minuten auf der Niere, danach ruhte der Patient noch 30 Minuten nach. Er lag während der ganzen Zeit immer ruhig, auch in der Nachruhe, manchmal döste er etwas. Er wurde nach der ersten Anwendung erst am späteren Nachmittag in den Rollstuhl mobilisiert, um ihn nicht zu überfordern. Als seine Frau kam, breitete er die Arme aus und rief: „Das ist meine Frau“! Am nächsten Tag hob er beide Arme dem Pfleger entgegen zum Schlafanzugwechsel. Das war bisher eine Prozedur, weil er so starke Schmerzen hatte. Nach der vierten Anwendung lachte er mit den Pflegenden und die Stationsleitung, die aus den Ferien zurück kam, erkannte die Veränderung und ab sofort wurden Ingwer-Nierenwickel eingeführt.
HR

Fallbeispiel 4, Fatique Syndrom
Die Patientin war in stationärer Behandlung aufgrund eines Fatigue-Syndroms mit Schlaf- und Kraftlosigkeit, sowie Konzentrationsstörungen. Es bestanden außerdem eine arterielle Hypertonie und Palpitationen.
Während 2 Wochen bekam sie im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes 6 Nierenbehandlungen. Schon nach der ersten Anwendung konnte sie tief einschlafen.
Es verbesserten sich alle Beschwerden im Laufe der Behandlung: Schlafqualität, Blutdruckwerte, Kraft, vom Herzen kommende Unruhe, seelische Gestimmtheit, Konzentration. Sie zeigte eine rosige Gesichtsfarbe und die Extremitäten waren deutlich wärmer.
BH

Autor

Red., MR, FS, HR, BH

Literatur

  • Therkleson, Tessa. "Ginger compress therapy for adults with osteoarthritis." Journal of advanced nursing 66.10 (2010): 2225-2233
  • Monika Fingado: Therapeutische Wickel und Kompressen, Natura Verlag
  • Ingwerstudie, Praxisintegrierte Studie zur Darstellung der Frühwirkungen von Ingwer als  Äußere Anwendung Glaser, H./ Heine, R. /Sauer ,M./ Simon, L. et.al. 2001, Verband für Anthroposophische Pflege