Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Senf-Thoraxwickel

Substanzart

Senfmehl

Leitgedanke zur Anwendung

Die ätherischen Öle im Senfmehl wirken auf der Haut örtlich stark reizend, dringen schnell in die Haut ein und lösen ein starkes Brennen und ein intensives Wärmegefühl aus.
An der behandelten Stelle werden die Durchblutung und die Stoffwechseltätigkeit gesteigert und die Haut rötet sich. Dadurch entsteht über die Nervenendigungen in der Haut eine reflektorische Fernwirkung auf die inneren Organe. Der Senf-Thoraxwickel führt außerdem zu einer vertieften Atmung.

Senfanwendungen gehören zu den wirksamsten und verlässlichsten, aber auch anspruchvollsten Äußeren Anwendungen. Es ist besonders wichtig, dass der Patient gut informiert ist über den Ablauf der Behandlung und die Tatsache, dass Senf auf der Haut brennt.
Es muss bei jeder Senfanwendung gemeinsam mit dem Patient die für ihn richtige Dauer gefunden werden. Bei einer zu kurzen Anwendung kann die gewünschte Wirkung ausbleiben; bei einer zu langen Anwendung besteht die Gefahr der verbrennungsähnlichen Hautschädigung. Senf-Thorax-Anwendungen sollten nach Möglichkeit vormittags oder am frühen Nachmittag (ca.15-17 Uhr) durchgeführt werden, da dies die Zeit ist, in der der Organismus maximal leistungsfähig ist, um die Anwendung zu verabeiten.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Asthma bronchiale
  • Wiederholte Atemwegsinfektionen (auch nach häufiger Antibiotikagabe) (siehe Fallbeispiel)
  • Bronchitis
  • Infektionsneigung bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
  • Pleuritis
  • Pneumonie
  • Pneumonieprophylaxe bei alten oder bettlägerigen Patienten



Durchführungsbeschreibung

Besonderheiten

  • Kein Senfwickel auf gerötete, erkrankte oder bestrahlte Haut!
  • Hellhäutige, blonde und rothaarige Personen reagieren besonders stark und schnell auf den Senf-Reiz.
  • Wegen der nach wenigen Minuten einsetzenden Hautreaktion (Brennen, Rötung -  Gefahr der Hautverbrennung!) bleibt die Durchführende Person bis zu Beginn der Nachruhe beim Patienten.
  • Senfmehl sollte luftdicht, kühl und lichtgeschützt aufbewahrt werden.


Material
  • Senfmehl (gemahlener Samen vom schwarzen Senf), 2-4 Esslöffel (je nach Größe der Auflagefläche)
  • Innentuch doppelt so groß wie die geplante Auflagefläche, Küchenpapier (für die „Verpackung“ des Senfbreis), Frottee-Handtuch als Zwischentuch (= Nässeschutz), Außentuch
  • Wenig warmes Wasser (max. 70° C)
  • Große Tasse mit Henkel zum Anrühren
  • Holzbrett


Durchführung der Anwendung
  • Das Innentuch auf dem Holzbrett auslegen und darauf das Küchenpapier ausbreiten
  • Senfmehl mit dem warmen Wasser zu einem streichfähigen Brei anrühren. Diesen zügig auf die Hälfte des Innentuches/ Küchenpapier auftragen und daraus eine ringsum geschlossene Packung falten. Die unten liegende Seite der Packung, mit je einer Tuch- und Papierschicht, wird auf die Haut aufgelegt. 
  • Die Packung mit ihrer Anwendungsseite auf das gewünschte Hautareal auflegen

Zum Fixieren und Einhüllen das Zwischen- und Außentuch dicht und fest anlegen
  • Während der Anwendung die Hautreaktion gut beobachten (evtl. Packung kurz abheben von der Haut) - Ziel ist eine beginnende Hautrötung, so dass diese gut abgrenzbar ist gegenüber der unbehandelten Haut. Dieser Effekt ist innerhalb eines Zeitraumes von 2-12 Minuten zu erwarten.
  • Bei Abnahme der Packung evtl. Haut feucht-warm abtupfen. Alle Tücher entfernen
  • Bei empfindlichen Patienten (Kindern) einige Stunden später etwas Calendula-Öl / Babyöl auf die Haut auftragen einreiben
  • Nachruhe (30 Minuten)


Nachbereitung
  • Den Senfbrei mitsamt Küchenpapier verwerfen und das Innentuch auswaschen.
  • Die nächste Senfanwendung frühestens am nächsten Tag durchführen und nur dann, wenn die Rötung der Haut verschwunden ist (evtl. die Haut mit Öl / Creme entsprechend pflegen).


Beurteilungssicherheit
Bei sehr vielen Patienten bewährt
Dosierung
1 Mal täglich
Wirkungseintritt
Innerhalb von wenigen Minuten
Therapiedauer
Je nach Verlauf von einer einmaligen Anwendung bis zu einer Behandlungsserie von bis zu 10 Anwendungen
Warnhinweise
Achtung: Verbrennungsgefahr bei zu langer Anwendung

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Ein 74 jähriger Patient mit neurasthenischer Konstitution leidet seit Jahren an einer COPD, die sich in den Wintermonaten 2012 vor Behandlungsbeginn zu rezidivierenden Pneumonien entwickelte. Sein Hauptproblem ist der ständige, vorwiegend trockene Husten und die Kraftlosigkeit aufgrund der rezidivierenden Infekte mit den entsprechenden Antibiotikagaben. Es kommt zu mehreren stationären Aufenthalten aufgrund der Pneumonien, die auch immer mit Fieber einhergehen.
Der Patient ist kurzatmig, leicht verschleimt, atmet oberflächlich vor der ersten Behandlung. Er wirkt geschwächt, leicht resigniert und hilflos. Er neigt zum Frösteln, hat kühle Extremitäten. Zusammen mit seiner Partnerin lege ich den Wickel an, den er noch nicht kennt. Bereits beim 1. Mal kann der Wickel 12 Minuten lang belassen werden. In der Nachruhe entspannt der Patient und schläft ein. Eine Wärmeentwicklung bis in die Peripherie setzt ein, die Atmung wird ruhig und geht in eine Bauchatmung über.
Der Verlauf ist bei den weiteren Behandlungen ähnlich, nur dass der Wickel länger belassen werden kann. Sein Allgemeinzustand bessert sich rasch. Entsprechend besser ist seine Stimmung, er schöpft Hoffnung und ist sehr zufrieden über den Verlauf.
Nach Abschluss der Behandlungsserie von 9 Anwendungen ist sein Zustand so stabil, dass  über die Wintermonate keine weiteren Infekte mehr aufgetreten sind und sein Allgemeinbefinden verbessert ist. Er hat sogar 2Kg zugenommen.
Seine Partnerin führt zu Hause weiter regelmässig 1x wöchentlich Brustwickel mit Equisetum durch (in die ich sie instruiert habe), welche die Gesamtsituation weiter stabilisieren. Über die Wintermonate werden Senfwickel von seiner Partnerin verabreicht (Häufigkeit nicht bekannt), so dass im Verlauf von 2 Jahren nur zwei Infekte aufgetreten sind.
ML

Autor

Red., ML

Literatur

  • Pelikan, Wilhelm, Heilpflanzenkunde I, 4. Auflage 1999, Verlag am Goetheanum, Dornach
  • Sonn, Annegret, Bühring, Ursel, Heilpflanzen in der Pflege, 1.Auflage 2004, Verlag Hans Huber, Bern
  • Reinhard, Jürg, Sanfte Heilpraxis mit selbstgemachte Medikamenten, Neuauflage 2008, AT Verlag Baden und München
  • Deckers, B. Senfwickel-Behandlung bei Pneumonie – eine Kasuistik. Der Merkurstab 2014; 67: 141-142
  • Simon, L.; Senfwickel und entzündliche Krankheitsprozesse bei hysterischer Konstitution. Der Merkurstab 1998; 51: 5-12
  • Simon, L.; Zur Polarität von Senf und Ingwer, in: „Ingwerstudie“, Verband anthr. orient. Pflegeberufe, 2.Auflage 2001